Deutsche Gesellschaft für Elektroakustische Musik
Mitteilungen_17, 24.5.1995
Folkmar Hein: Bericht über die "MultiMediale 4" in Karlsruhe
(...) Im Rahmen der MultiMediale 4 fand in der Musikhochschule Karlsruhe ein Konzert mit dem Bösendorfer-Computerflügel statt. Sabine Schäfer erläutert im Programmheft, daß dieses Instrument für pädagogische, wissenschaftliche und künstlerische Zwecke angeschafft wurde und kompositorisch nutzbar ist. Die ausgereifte Klaviermechanik und die Programmierbarkeit erlauben hinsichtlich Schnelligkeit, Präzision, Lautstärke etc. neue musikalische Ausdrucksformen in der Klaviermusik. Ein für deutsche Verhältnisse ungewöhnlicher Kauf. Tatsächlich war es sehr interessant, dieses 250.000-DM-Stück live zu hören: die Anschlagdynamik ist - verglichen mit dem Disclavier - überwältigend; schnellste Passagen werden auch im ppp vollkommen gleichmäßig und klar wiedergegeben. Überhaupt scheint die Schnelligkeit herauszufordern (schnelle 1-Tasten-Repetition kamen nicht vor) : man hatte z.B. die study #25 von Conlon Nancarrow auf den Bösendorfer transkribiert - sozusagen Ampico-Pianola-Notenrolle to MIDI (Hilfestellung: Herr Jürgen Hocker). Natürlich ist der Bösendorfer kein Pianola - aber das ist es ja gerade: er ist tatsächlich die pianistische Alternative.
Neben zwei überflüssigen Arbeiten aus der Rihm-Klasse konnte man, sogar mit Wiederholung, ein ausgereiftes Klavierstück von Vykintas Baltakas hören, der mit dem Computerflügel einen virtuosen Bogen von der Debussy-Tradition in die Neuzeit schaffte. (...)